By Eugen Bleuler (auth.)

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Die viel umstrittene Frage, ob es einen "freien Willen" gebe in dem Sinne, daß ohne Ursache die Entscheidung getroffen werden könne, besteht für die Naturwissenschaft nicht. Wir sehen, daß die Handlungen der belebten Geschöpfe durch die innere Organisation und die darauf einwirkenden äußeren Einflüsse genau so determiniert sind wie irgendein anderes Geschehen. Daß wir dennoch das Gefühl der freien Entscheidung haben, ist dem Identismus 1 selbstverständlich. Man muß sich nur die Tatsache vorstellen können, daß der Komplex von Gehirnfunktionen, den wir als unser Ich empfinden, sich selbst wahrnimmt, d.

Werden fast nur durch Suggestion erhalten. Ihr ist vor allem die Einheitlich· keit in den Formen und Einzelheiten und zu einem Teil auch die bewegende Kraft des Glaubens zu verdanken. Die Entstehung des Glaubens geht immer nach den Gesetzen der affektiven Gedankensteuerung im dereistischen Denken vor sich. Wir möchten wissen, daß nach dem Tode etwas kommt, möchten das Schicksal beeinflussen. Ebenso möchte der beatus possidens seine Stellung dem Elend gegenüber moralisch begründen; der Kranke will gesund werden und glaubt dem Pfuscher.

Das Ich besteht genau genommen aus den Engrammen aller unserer Erlebnisse plus den aktuellen Psychismen. Darunter ist natürlich nicht bloß das passive Erfahren, sondern auch all unser früheres und jetziges Wollen und Streben zu verstehen, so daß das Ich eigentlich unsere ganze Vergangenheit in äußerst abgekürzter Weise zusammenfassen würde. Doch sind nicht alle diese Bestandteile gleichwertig; die meisten treten in einem gegebenen Augenblick zurück bis zur vollständigen Unwirksamkeit (sind also nicht ekphoriert), andere sind gewöhnlich oder immer da.

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